Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „Die Frage nach Gott“. Ich bin Anna Meissner und heute gehen wir mal richtig an die Wurzel: Was meinen wir eigentlich, wenn wir von „Gott“ sprechen? Das klingt einfacher, als es ist, denn – ich merke das wirklich jedes Semester aufs Neue – selbst in einer kleinen Gruppe gibt’s so viele unterschiedliche Vorstellungen davon. Also, wie kann man „Gott“ überhaupt definieren? Gibt’s eine Art Kurzfassung, die für alle Religionen gilt? – Eigentlich nicht. Aber es gibt so klassische Attribute, die, sagen wir mal, immer wieder auftauchen. Gott als Schöpfer zum Beispiel, oder als Vater, Richter oder auch als Barmherziger. Für manche ist „Gott“ ganz eindeutig der Vater im Himmel, der alles erschaffen hat. Andere betonen, Gott als Richter, der sieht, was gut und böse ist – klingt erstmal streng, aber da ist auch diese Vorstellung von Gerechtigkeit drin. Dann gibt’s natürlich die Eigenschaft des Barmherzigen, also dass Gott eben verzeiht, vergibt, sich zuwendet statt zu strafen. Ich erinnere mich, wir hatten mal an der LMU eine Debatte mit Studierenden: Die einen haben das Bild vom allmächtigen Weltenlenker gemalt, die anderen hatten einen Gott, der eher im Zweifel und in der Suche spürbar ist, fast schon wie eine Kraft – also total verschieden. Und das ist für mich immer der spannendste Moment, wenn so klar wird: Gott ist eben kein festgeschriebener Begriff. Jede und jeder bringt da eigene Bilder und Erfahrungen ein.Und da schließt sich direkt die nächste, vielleicht auch ein bisschen provozierende Frage an: Ist es überhaupt „der eine Gott“ – oder sind es viele? Also, im Monotheismus, also zum Beispiel im Judentum, Christentum und Islam, gibt’s diese Vorstellung vom einen einzigen Gott, der eigentlich „unvorstellbar“ ist. Man soll sich kein Bild machen – kennt ihr vielleicht: Das Verbot, Gottes Namen auszusprechen, im Judentum zum Beispiel – das ist richtig tief verankert. Die Ehrfurcht davor, dass Gott eben nicht fassbar ist. Im Judentum wird der Name Gottes, JHWH, nicht ausgesprochen. Stattdessen sagt man Adonai oder HaSchem. Im Christentum ist es „Vater“, „Herr“, „Schöpfer“. Und der Islam kennt „Allah“, auch immer mit diesem Gefühl von Unerreichbarkeit und Größe. Und dann gibt’s natürlich noch die andere Richtung, nämlich den Polytheismus, wie im Hinduismus. Da gibt’s viele Götter, und jeder hat seine Zuständigkeit – einer für das Schaffen, einer für das Zerstören, einer für Reichtum und Glück und so weiter. Ich muss gestehen, manchmal finde ich diese Vielfalt auch ganz sympathisch, weil sie zeigt, wie Menschen versuchen, das Unfassbare auf viele Weisen zu begreifen.Jetzt wird’s praktisch, könnte man sagen: Was bedeutet das eigentlich für Gläubige, wenn wir sagen, Gott handelt in der Welt? Für viele ist das eine riesige Stütze – diese Vorstellung, dass Gott wirklich eingreift, dass Gebete gehört werden oder dass es sozusagen einen Plan gibt. Daraus ergibt sich dann zum Beispiel auch, warum Gebote für Gläubige so zentral sind. Sie dienen ja nicht nur zum Selbstzweck, sondern sollen zeigen: Da ist eine Beziehung, ein Bund oder ein Versprechen zwischen Gott und Menschen. Fast wie eine Art Vertrag – wobei das jetzt vielleicht ein etwas trockener Ausdruck ist... Ja, und dann ist da noch diese ganze Sache mit der Vergebung. Das finde ich persönlich wirklich zentral: Die Idee, dass man Fehler machen kann, und trotzdem Vergebung finden darf. Gerade in meinem Unterricht kommt dann immer wieder die Frage auf: Wie hilft ein bestimmtes Gottesbild eigentlich für das, was ich im Alltag tun soll, also etwa bei ethischen Entscheidungen? Ich merke, so ein Gottesbild gibt oft Orientierung. Oder, um’s mal in meinen Worten zu sagen: Ob Gott nun streng oder barmherzig gedacht wird, oder als nah oder fern, hilft irgendwie, einen eigenen moralischen Kompass zu entwickeln. Und das ist wahrscheinlich auch etwas, über das wir in den kommenden Folgen noch viel sprechen werden. Schön, dass ihr heute dabei wart – und ich freu mich schon aufs nächste Mal, wenn wir uns einer neuen großen Frage widmen.

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Wer ist Gott – Facetten eines Begriffs